Mein Kind trinkt nicht, mein Kind isst nicht!
Wenn individuelle Essgewohnheiten in der Kita zur Herausforderung werden 🍽️
Im Kitaalltag begegnen pädagogische Fachkräfte täglich einer faszinierenden Vielfalt kindlicher Persönlichkeiten – und damit auch einer ebenso vielfältigen Bandbreite an Vorlieben und Abneigungen beim Essen und Trinken. Die einen rühren keine Sättigungsbeilage an, andere verschmähen stilles Wasser, wieder andere essen tagelang nur Brot – und nichts anderes. Solche individuellen Essgewohnheiten sind im Grunde völlig normal. Schließlich entwickeln Kinder mit der Zeit ihre ganz eigenen Geschmacksvorlieben. Doch in der Gemeinschaftseinrichtung Kita kann diese Vielfalt schnell zur Herausforderung werden – für die pädagogischen Fachkräfte ebenso wie für die Küchenkräfte und nicht zuletzt auch für die Gruppe selbst.
👧🏼👦🏽 Doch wie weit kann und sollte man auf jedes Kind individuell eingehen? Und: Wo beginnt die Verantwortung der Eltern?
Zwischen Wertschätzung und Überforderung – der pädagogische Balanceakt
Kinder sollen sich in der Kita wohlfühlen. Dazu gehört auch, dass ihre Bedürfnisse gesehen und ernst genommen werden – auch beim Essen. Gleichzeitig ist die Kita kein Restaurantbetrieb, in dem à la carte gekocht wird. Der Speiseplan orientiert sich meist an Richtlinien für gesunde Kinderernährung und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wenn nun ein Kind täglich keine Nudeln isst, weil es sie „eklig“ findet, oder ein anderes Kind ausschließlich sprudelndes Wasser trinkt, stellt sich unweigerlich die Frage: Wie viel Individualität lässt sich pädagogisch sinnvoll abbilden, ohne das System zu überlasten?
In der Realität bedeutet das oft: Fachkräfte balancieren zwischen Verständnis und Klarheit, zwischen liebevoller Begleitung und notwendigen Grenzen. Das eine Kind darf den Teller stehen lassen – und beim nächsten wird schon gefragt, ob eine Alternative angeboten werden muss. Diese Gratwanderung ist anstrengend und verlangt pädagogisches Fingerspitzengefühl. Denn jedes „Sonderwunsch-Kind“ zieht nicht nur organisatorischen Mehraufwand nach sich, sondern hat auch Auswirkungen auf die Gruppendynamik. Warum bekommt Tim etwas anderes, obwohl Emma das nicht darf?
Die Kita als Ort der Ernährungserziehung – aber nicht allein!
Eltern wünschen sich verständlicherweise, dass ihre Kinder in der Kita gut versorgt sind – körperlich wie seelisch. Dabei rückt die Mahlzeit immer mehr in den Fokus pädagogischer Verantwortung. In Elterngesprächen werden Essgewohnheiten teils problematisiert, als ob die Kita allein dafür verantwortlich sei, dass ein Kind „endlich mal Gemüse isst“ oder „auch mal was anderes probiert als Zuhause“. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass Kinder den Großteil ihres Tages – und insbesondere des Wochenendes – bei ihren Familien verbringen.
👪 Die Frage ist also berechtigt: Muss wirklich jede geschmackliche Entwicklung im Kitaalltag stattfinden – oder darf man Eltern auch stärker in die Pflicht nehmen?
Natürlich ist es sinnvoll, dass Kinder in der Kita neue Lebensmittel kennenlernen und in entspannter Atmosphäre probieren dürfen, was sie vielleicht Zuhause nicht bekommen. Doch der Druck, dass die Kita „Ernährungsprobleme“ im Alleingang lösen soll, ist unrealistisch – und auch unfair. Ernährung ist ein gemeinschaftliches Thema. Und wenn Kinder sehr einseitige Vorlieben haben, lohnt sich ein ehrlicher Blick darauf, wie die familiären Essgewohnheiten strukturiert sind. Gibt es zu Hause gemeinsame Mahlzeiten? Werden neue Lebensmittel eingeführt – oder immer wieder dieselben „Lieblingsgerichte“ serviert? Wird Wasser getrunken – oder süßer Tee und Limo?
Vielfalt ja – Beliebigkeit nein
Eine wichtige pädagogische Aufgabe ist es, Kindern Orientierung zu geben. Das gilt auch beim Essen. Nicht jedes „Ich mag das nicht“ muss zur Sofortmaßnahme führen. Es geht darum, Kindern den Raum zu geben, sich mit Lebensmitteln auseinanderzusetzen – aber auch darum, dass Regeln gelten dürfen. Es spricht nichts dagegen, wenn ein Kind mal etwas nicht isst. Entscheidend ist, wie Erwachsene damit umgehen: Mit Druck? Mit Ersatzangeboten? Oder mit ruhigem, verständnisvollem Rahmen und der Botschaft: „Du musst nichts essen, aber das ist heute unser Essen.“
Ein reflektierter Umgang mit Essgewohnheiten heißt nicht, dass jedes Kind immer bekommt, was es will. Es heißt, Bedürfnisse zu erkennen, Angebote klug zu gestalten und dabei die Gruppensituation im Blick zu behalten. Dabei darf auch mal erklärt werden: „Wir trinken hier in der Kita stilles Wasser – zu Hause kannst du mit deinen Eltern andere Getränke trinken.“
🍲 Individualität im Alltag wertzuschätzen heißt nicht, dass die Kita zur Wunschküche wird.
Ein Appell an die Zusammenarbeit
Damit Kinder gesund und vielfältig essen lernen, braucht es ein gutes Miteinander zwischen Kita und Elternhaus. Pädagogische Fachkräfte können vieles anstoßen – aber nicht alles tragen. Es ist legitim, im Gespräch mit Eltern klar zu benennen: „Wir haben festgestellt, dass Ihr Kind kaum etwas isst. Wie läuft es denn zu Hause?“ Oder: „Ihr Kind trinkt nur gesüßten Tee – wir bieten ausschließlich Wasser an. Vielleicht können Sie das auch daheim aufgreifen?“ Solche Gespräche erfordern Fingerspitzengefühl – aber auch Klarheit.
Denn eines ist sicher: Nur wenn Kita und Eltern an einem Strang ziehen, entsteht eine nachhaltige Entwicklung. Und genau darum geht es: Kinder stark machen für eine gesunde Esskultur – ohne Überforderung, aber mit Haltung.
Fazit:
Individuelle Essgewohnheiten sind normal – doch sie dürfen den Kitaalltag nicht dominieren. Es braucht eine pädagogisch begründete Balance zwischen Individualität und Gemeinschaft, zwischen Fürsorge und Verantwortung. Und: Eltern sind keine Zuschauer. Sie sind Mitgestalter. Nur gemeinsam können wir Kindern helfen, mit Freude, Neugier und Selbstbestimmung essen und trinken zu lernen. 🍎🥛